Man hat es ahnen können: Was den oft schwierigen Balanceakt zwischen Lockerheit und gebotener Ernsthaftigkeit angeht, ist Heiko Butscher ein Naturtalent. Sicher wäre der abendliche Talk mit den Journalisten nicht so unbeschwert ausgefallen, hätte die Bochumer Mannschaft zuvor nicht das Spiel gegen Darmstadt gedreht und damit auch den Schulterschluss mit den Fans herbeigeführt, aber die unaufgeregte Ausführlichkeit des Interimstrainers ist dennoch bemerkenswert.
Butscher erklärte alle seine personellen Überlegungen, ohne dabei jemanden zu diskreditieren. Der 37-Jährige sprach von „schwierigen Entscheidungen“, konnte die aber gut begründen. Stefano Celozzi habe beispielsweise monatelang „klaglos“ auf einer Position gespielt, die ihm nicht unbedingt liege. Weil aber Jan Gyamerah „wahnsinnig konstant“ spiele, habe er mit einem Platz auf der Bank vorlieb nehmen müssen. Kapitän, so der 37-Jährige weiter, bleibe Celozzi, sein Ansehen innerhalb der Mannschaft sei hoch.
Butscher erklärt seine Maßnahmen
Dass Robert Tesche zur Startelf zählte, sei eine Konsequenz der Trainingsleistungen gewesen. „Seit Wochen“, so Butscher, habe Tesche „einen guten Eindruck“ gemacht. Auch bei Janni Serra, dem aus Dortmund ausgeliehenen Sturmtalent, hatte Bochums Interimstrainer ein „gutes Gefühl“. Es trog ganz offensichtlich nicht, denn Serras Einwechselung stürzte die Hessen in allergrößte Verwirrung. Der 19-Jährige (Butscher: „Er ist natürlich auch eine Erscheinung“) entspricht mehr der Vorstellung eines Stoßstürmers als zum Beispiel Johannes Wurtz. Ohne nun besonders zu glänzen, hinterließ Serra Wirkung beim Gegner, der trotz des Führungstreffers komplett seine Ordnung verlor.
Nicht immer hat eine Phase der Desorientierung negative Folgen, am Freitagabend aber war das glücklicherweise der Fall. Nachdem Hinterseer und Darmstadts Unglücksrabe Holland getroffen und damit das Spiel gedreht hatten, bekam die Bochumer Mannschaft volle Rückendeckung von den Fans. „Die Stimmung war super, spätestens ab der 60. Minute war es so, wie man sich das immer wünscht“, sagte Butscher, der die letzte halbe Stunde zum Maßstab für die Zukunft machte. Butscher, der ja als Spieler zweimal beim VfL unter Vertrag gestanden hatte, sprach von „Bochumer Fußball“ und mahnte: „Die Identität darf nicht verloren gehen.“
Das sollte sicher keine versteckte Kritik an seinem Vorgänger sein, war aber doch deutlich und könnte so gedeutet werden: Mehr als jede taktische Tüftelei zählen für ihn die emotionale Grundlage und das Gemeinschaftsgefühl. Die „wichtigste Erkenntnis“ war für Heiko Butscher folgerichtig, „dass das eigene Ego hinten ansteht und wir den Zusammenhalt haben“.